Interface III
deutsch-polnisches Tanzfestival im ehemaligen Waggonbau Görlitz
EIN TRIPTYCHON, FRISCH GEPRESST, IM GESCHLOSSENEN RAUM UND EINE GLEICHUNG, DIE KEINE IST
Interface III, das polnisch-deutsche Tanzprojekt in Görlitz
Einmal im Jahr gibt die Görlitzer Tanztheaterchefin Gundula Peuthert ihre Kompanie ab. Sie lädt zwei polnische und zwei deutsche Choreografen ein, die mit den Tänzerinnen und Tänzern an einem besonderen Ort in der Stadt unter Ausnahmebedingungen vier unterschiedliche und doch miteinander verbundene Tanzprojekte entwickeln und eine Woche lang präsentieren. Menschen und Räume geben thematische Anstöße, alle fügen sich einer Musik, die in diesem Jahr von Lars Friedrich ist, aber keine besondere Rolle spielt wird doch bald deutlich, dass die Choreografien unabhängig davon entstanden sein können. Die Zuschauer wechseln ihre Perspektiven und entscheiden selbst, in welcher Reihenfolge sie drei Beiträge sehen wollen, die dreimal parallel angeboten werden, bevor sich alle zum Finale bei einer Vorstellung zusammenfinden. Konnten bisher das Bürogebäude des ehemaligen Bombardier-Werkes und die Galerie EXERGON in der brach liegenden Kofferfabrik durch diese besonderen Kunst- und Kommunikationsprojekte für jeweils eine Woche die Würde der Wahrnehmung erfahren, so geschieht es in diesem Jahr in der alten Ausbildungshalle des ehemaligen VEB Waggonbau. Zunächst müssen etliche Eimer aufgestellt werden, Pfützen bilden sich dennoch, Anblick und Tropfgeräusche verbreiten besonderes Flair. Verfall und Widerstand. Auf den Podien, erhöht oder zu ebener Erde, der Raum für Experimente und Rätsel, die Chance und die Freiheit, sich nicht erklären zu müssen und das zumindest kleine Wunder, dass eine beträchtliche Anzahl von Menschen dazu kommt und sich für Augenblicke einlässt auf Angebote, die nicht zu den alltäglichen gehören und doch vor der Folie des Alltags ihre Besonderheit erhalten.
„Closed room“ nennt Maya Lipsker ihre Arbeit für zwei Tänzerinnen über die Tyrannei der Intimität. Die Varianten des Mit- und des Gegeneinanders, in die sich Jenny Ecke und Antoinette Helbig, wild bis zum Sturz, Hand in Hand wie verlorene Kinder, zwanghaft in der Nähe ihre Distanz verteidigend, ergeben ein dichtes Geschehen. Das Besondere ist hier, dass es gelingt im spannungsvollen Wechsel aus Aggression und Zärtlichkeit die Grenzen der Intimität zu wahren.
Drei Menschenpresser und Selbsterpresser, Simone Rabea Döring, Harald Wink und Santiago Hernandez führt Marlen Schumann in ihren Varianten von Manipulation unter dem Titel „Frisch gepresst“ zusammen. Etliche Facetten der Vergeblichkeit, unterschiedliche Konstellationen der Erpressbarkeit gibt die Zusammensetzung der Gruppe vor, wobei alle Siege wackeln und von kurzer Dauer sind. Wenn am Ende, nach einer Reihe von Sprüngen, Stürzen und Hebungen doch noch frischer Saft einiger Orangen fließt, werden wir mit einem Schuss matschigen Humors entlassen. Elena Sommer-Freundt nennt ihre Arbeit für zwei Tänzerinnen in roten Höschen und T-Shirts „Triptychon“ und „Wandel“ im Untertitel. Leicht im Bewegungsgestus und im Ausdruck finden Steffi Sembdner und Maria Zimmermann zu einer Abfolge von Bildern für Situationen des Miteinanders und Zueinanders. Fast unmerklich schleichen sich Risse in die scheinbare Harmonie wenn elegante Synchronfiguren sich beginnen gegenläufig zu verändern. Am Ende haben sich auch die Tänzerinnen verändert, Steffi Sembdner trägt gewaltige Plateauschuhe, Maria Zimmermann hat einen Arm außer Kraft gesetzt, beide finden das auch nicht weiter schlimm, irgendwie kann man sich immer einrichten. Irgendwie fehlt es der kleinen Choreografie aber auch noch an Prägnanz.
Finale in Breitwandformat für alle sieben Tänzerinnen und Tänzer. „2 plus 5 equals 1“ von Jacek Gebura ist keine Mathematikaufgabe sondern ein so unterhaltender wie verblüffender und immer wieder überraschender Schnellkurs in Sachen menschlicher Bewegungsmöglichkeiten, bzw. Tanz als Ganzkörperreaktion auf Impulse, mögen sie aus dem Innern oder von außen kommen. Ein fröhliches Spiel mit der Interaktion, mit der Verwirrung bei geheimen Korrespondenzen der Tänzer untereinander und der heiteren Zerlegung eines Körpers in etliche Einzelteile mittels ziemlich unvollkommener Abbildungen. Die bestens aufgelegte Gruppe verknäult und vereinzelt sich, ein clownesker Einzelgänger ist gut aufgehoben. Ansonsten wird gehoben, geworfen, gesprungen und gedreht, das Zauberwort heißt Zärtlichkeit und wir ahnen was der Titel meinen könnte.
„Closed room“ nennt Maya Lipsker ihre Arbeit für zwei Tänzerinnen über die Tyrannei der Intimität. Die Varianten des Mit- und des Gegeneinanders, in die sich Jenny Ecke und Antoinette Helbig, wild bis zum Sturz, Hand in Hand wie verlorene Kinder, zwanghaft in der Nähe ihre Distanz verteidigend, ergeben ein dichtes Geschehen. Das Besondere ist hier, dass es gelingt im spannungsvollen Wechsel aus Aggression und Zärtlichkeit die Grenzen der Intimität zu wahren.
Drei Menschenpresser und Selbsterpresser, Simone Rabea Döring, Harald Wink und Santiago Hernandez führt Marlen Schumann in ihren Varianten von Manipulation unter dem Titel „Frisch gepresst“ zusammen. Etliche Facetten der Vergeblichkeit, unterschiedliche Konstellationen der Erpressbarkeit gibt die Zusammensetzung der Gruppe vor, wobei alle Siege wackeln und von kurzer Dauer sind. Wenn am Ende, nach einer Reihe von Sprüngen, Stürzen und Hebungen doch noch frischer Saft einiger Orangen fließt, werden wir mit einem Schuss matschigen Humors entlassen. Elena Sommer-Freundt nennt ihre Arbeit für zwei Tänzerinnen in roten Höschen und T-Shirts „Triptychon“ und „Wandel“ im Untertitel. Leicht im Bewegungsgestus und im Ausdruck finden Steffi Sembdner und Maria Zimmermann zu einer Abfolge von Bildern für Situationen des Miteinanders und Zueinanders. Fast unmerklich schleichen sich Risse in die scheinbare Harmonie wenn elegante Synchronfiguren sich beginnen gegenläufig zu verändern. Am Ende haben sich auch die Tänzerinnen verändert, Steffi Sembdner trägt gewaltige Plateauschuhe, Maria Zimmermann hat einen Arm außer Kraft gesetzt, beide finden das auch nicht weiter schlimm, irgendwie kann man sich immer einrichten. Irgendwie fehlt es der kleinen Choreografie aber auch noch an Prägnanz.
Finale in Breitwandformat für alle sieben Tänzerinnen und Tänzer. „2 plus 5 equals 1“ von Jacek Gebura ist keine Mathematikaufgabe sondern ein so unterhaltender wie verblüffender und immer wieder überraschender Schnellkurs in Sachen menschlicher Bewegungsmöglichkeiten, bzw. Tanz als Ganzkörperreaktion auf Impulse, mögen sie aus dem Innern oder von außen kommen. Ein fröhliches Spiel mit der Interaktion, mit der Verwirrung bei geheimen Korrespondenzen der Tänzer untereinander und der heiteren Zerlegung eines Körpers in etliche Einzelteile mittels ziemlich unvollkommener Abbildungen. Die bestens aufgelegte Gruppe verknäult und vereinzelt sich, ein clownesker Einzelgänger ist gut aufgehoben. Ansonsten wird gehoben, geworfen, gesprungen und gedreht, das Zauberwort heißt Zärtlichkeit und wir ahnen was der Titel meinen könnte.
Veröffentlicht am 07.07.2009, von Boris Michael Gruhl